Tatort: Athen, Griechenland.
Auch wenn wir immer weiter südwärts gezogen sind, hat uns doch der Winter eingeholt. Der ist hier nicht ganz so kalt, aber doch nass und dunkel. Und so sitzen wir nun für einige Wochen in Athen fest. Wanderer in der Grossstadt. Das ist gar nicht so schlimm, schliesslich müssen wir dringend mal Schuhe besohlen, Haare schneiden, Socken stopfen. Ausserdem kann man nicht Wochen in Griechenland verbringen, ohne die krisengeschüttelte Hauptstadt gesehen zu haben, und wir haben endlich mal Zeit, die vergangenen Monate Revue passieren zu lassen.
Auch wenn wir immer weiter südwärts gezogen sind, hat uns doch der Winter eingeholt. Der ist hier nicht ganz so kalt, aber doch nass und dunkel. Und so sitzen wir nun für einige Wochen in Athen fest. Wanderer in der Grossstadt. Das ist gar nicht so schlimm, schliesslich müssen wir dringend mal Schuhe besohlen, Haare schneiden, Socken stopfen. Ausserdem kann man nicht Wochen in Griechenland verbringen, ohne die krisengeschüttelte Hauptstadt gesehen zu haben, und wir haben endlich mal Zeit, die vergangenen Monate Revue passieren zu lassen.
Zu Fuss unterwegs zu sein, heisst ja auch, sich
viel Zeit zu nehmen. Das geht gar nicht anders, denn man kommt langsam
voran und ist abhängig von äusseren Umständen, allen voran vom Wetter.
Bei Dauerregen gibt es für uns kein Weiterkommen. Punkt. Oder wir
verirren uns, was trotz Kompass und Karten immer wieder vorkommt. So
sind wir ab und zu an einem Ort gelandet, den wir vorher auf der
Landkarte nicht einmal gefunden hätten, und hatten meistens genau da die
schönsten Begegnungen, zum Beispiel mit Antigone, einer Athenerin, die
wir in einem Bergdorf auf dem Peloponnes trafen. Sie versorgte uns für
die Nacht und ist nun in Athen zu einer Freundin geworden, die uns viel
über ihr Land erzählen kann. Aber so etwas lässt sich nicht planen. Und
das macht auch den Reiz dieses langsamen Vorwärtskommens aus.
Wir suchen uns nicht nur die schönsten, die
spektakulärsten, die berühmtesten Orte aus. Das können wir ja gar nicht,
denn dazwischen verbringen wir Tage auf Feldwegen und Teersträsschen.
Und wir sind auch nicht auf Bilder aus Reiseführern oder den
Multimediashows mit fantasielosen Namen wie «Faszination Freeride» aus.
Es ist das ganz normale Leben, das plötzlich aufregend ist, weil nichts
mehr selbstverständlich ist. Wir sind müde, erschöpft, wir frieren, wir
nerven uns über dornenüberwachsene oder nicht existierende Wege, müssen
vor bösen Hunden flüchten, verzweifeln fast über juckende Flohbisse,
fühlen uns schmutzig und hungrig, kurz: Wir sehnen uns nach all den
Annehmlichkeiten der Zivilisation. Und freuen uns dann umso mehr, wenn
wir sie wieder haben.
Nach über einem halben Jahr ist das Leben in der
Natur ziemlich normal geworden. Während ich früher nachts im Zelt
stundenlang wach lag, den unheimlichen Geräuschen lauschte, mir
ausmalte, was alles passieren könnte, schlafe ich nun sofort ein. Wir
können das Wetter besser deuten, je nachdem, was für Wolken aufziehen.
Und wir richten uns nach dem Sonnenauf- und -untergang. Das heisst, in
letzter Zeit krochen wir schon um sechs Uhr abends in den Schlafsack und
harrten aus bis zu den ersten Sonnenstrahlen kurz vor acht Uhr. Jetzt
wird es zum Glück täglich besser, und in ein paar Wochen geht es weiter,
in der Südtürkei ist es da hoffentlich schon etwas wärmer.
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 07.01.2012)
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