Friday, January 6, 2012

Kolumne 6: Wanderpause auf der Insel

Tatort: Kefalonia, eine griechische Insel im Ionischen Meer. 

Unterwegs, als wir am Wandern waren, haben wir einige Male versucht, in eine rohe Olive zu beissen. Ging nicht. Bitter und ungeniessbar. Stefanos hat gelacht, als wir ihm das erzählt haben. So etwas käme ihm nie in den Sinn. Stefanos ist Oliven- und Weinbauer auf Kefalonia, und wir sind für einen Monat seine Handlanger.

Die Olivenernte findet im November und Dezember statt, dann, wenn manche Oliven am Baum schon schwarz, andere noch grün sind. «Die schwarzen Oliven geben mehr Öl, die grünen sorgen für einen intensiveren Geschmack», sagt Stefanos. Für Essoliven gilt das übrigens auch, aber die Sorte ist eine andere. Es sind grössere Oliven, die wir von Hand ernten, in die wir mit einer Gabel Löcher hineinstechen und die Stefanos für einen Monat in mildes Salzwasser einlegt, das er jede Woche auswechselt. Das entzieht ihnen die Säure. 

Die kleinen Öloliven werden anders geerntet. Gröber, rabiater. Zuerst müssen Netze unter die Bäume gespannt werden, so gross und schwer, dass ich Einsatz mit dem ganzen Körper leisten muss. Dann rückt Stefanos mit der Kettensäge an. Nur die mit Oliven behangenen Äste werden geschnitten, die leeren lässt er am Baum, denn sie tragen erst im nächsten Jahr Früchte. Die gefallenen Äste werden vom Expeditionspartner und mir mit einem kleinen Handrechen eifrig gebürstet. 

Derweil gehen Stefanos und Petros, sein Gehilfe, mit riesigen elektrischen Massagestäben zu Werk. Der Generator läuft auf Hochtouren, die Stäbe sind gnadenlos: Die restlichen Oliven fallen vom Baum, mit ihnen Blätter und Ästchen. Ein heilloses Durcheinander – das wir wieder einsammeln und sortieren müssen. Das nächste Netz wird schon ausgebreitet, der zurückgelassene Baum gleicht einem gerupften Huhn. Es ist eine atemlose Arbeit. Man verliert sich so darin, dass alles andere vergessen geht. Man ist so motiviert, dass man Petros mit seinem Massagestab wegjagt, wenn er die kleinen Äste bearbeiten will. Die gehören doch uns. 

Vieles machen wir natürlich falsch, denn es gibt eine spezielle Art, wie man die leeren Netze faltet, eine Art, wie man Oliven in den Netzen zusammenbringt – nicht rollen, nicht werfen, sondern schütteln, dann befinden sich Blätter und Zweige obenauf, und man kann sie gut aussortieren. Und noch etwas ist wichtig: nicht im Weg stehen, wenn Stefanos wie wild in alle Himmelsrichtungen sägt, wenn Petros mit dem Massagestab gefährlich nahe heranrückt.

Nach einigen Stunden sind die Haare verstaubt und zerzaust, die Hände zerkratzt und ölig schwarz und die Arme müde vom vielen Bürsten. Dann gibts Pause: von Olivenöl triefendes Brot, selbst gemachten Feta, Oliven und Stefanos’ eigenen Wein, der uns das Arbeiten am Nachmittag erstaunlich beschwingt angehen lässt. 
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 10.12.2011)

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