Tatort: Kefalonia, eine griechische Insel im Ionischen
Meer.
Unterwegs, als wir am Wandern waren, haben wir einige Male
versucht, in eine rohe Olive zu beissen. Ging nicht. Bitter und
ungeniessbar. Stefanos hat gelacht, als wir ihm das erzählt haben. So
etwas käme ihm nie in den Sinn. Stefanos ist Oliven- und Weinbauer auf
Kefalonia, und wir sind für einen Monat seine Handlanger.
Die Olivenernte findet im November und Dezember
statt, dann, wenn manche Oliven am Baum schon schwarz, andere noch grün
sind. «Die schwarzen Oliven geben mehr Öl, die grünen sorgen für einen
intensiveren Geschmack», sagt Stefanos. Für Essoliven gilt das übrigens
auch, aber die Sorte ist eine andere. Es sind grössere Oliven, die wir
von Hand ernten, in die wir mit einer Gabel Löcher hineinstechen und die
Stefanos für einen Monat in mildes Salzwasser einlegt, das er jede
Woche auswechselt. Das entzieht ihnen die Säure.
Die kleinen Öloliven
werden anders geerntet. Gröber, rabiater. Zuerst müssen Netze unter die
Bäume gespannt werden, so gross und schwer, dass ich Einsatz mit dem
ganzen Körper leisten muss. Dann rückt Stefanos mit der Kettensäge an.
Nur die mit Oliven behangenen Äste werden geschnitten, die leeren lässt
er am Baum, denn sie tragen erst im nächsten Jahr Früchte. Die
gefallenen Äste werden vom Expeditionspartner und mir mit einem kleinen
Handrechen eifrig gebürstet.
Derweil gehen Stefanos und Petros, sein Gehilfe,
mit riesigen elektrischen Massagestäben zu Werk. Der Generator läuft auf
Hochtouren, die Stäbe sind gnadenlos: Die restlichen Oliven fallen vom
Baum, mit ihnen Blätter und Ästchen. Ein heilloses Durcheinander – das
wir wieder einsammeln und sortieren müssen. Das nächste Netz wird schon
ausgebreitet, der zurückgelassene Baum gleicht einem gerupften Huhn. Es
ist eine atemlose Arbeit. Man verliert sich so darin, dass alles andere
vergessen geht. Man ist so motiviert, dass man Petros mit seinem
Massagestab wegjagt, wenn er die kleinen Äste bearbeiten will. Die
gehören doch uns.
Nach einigen Stunden sind die Haare verstaubt und
zerzaust, die Hände zerkratzt und ölig schwarz und die Arme müde vom
vielen Bürsten. Dann gibts Pause: von Olivenöl triefendes Brot, selbst
gemachten Feta, Oliven und Stefanos’ eigenen Wein, der uns das Arbeiten
am Nachmittag erstaunlich beschwingt angehen lässt.
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 10.12.2011)
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