Saturday, February 18, 2012

Kolumne 8: Dauerlauf durch einen archäologischen Vergnügungspark


Tatort: Türkei, die geschichtlich schwerbeladene lykische Küste.

Es tut gut, endlich wieder zu Fuss unterwegs zu sein. Zwar ist es momentan auch an der türkischen Küste noch kühl, aber von den grossen Schneefällen, die es im Rest des Landes gegeben hat, sind wir verschont geblieben. Und so wandern wir nun den Lykischen Weg, der sich über 500 Kilometer dem Mittelmeer entlangzieht. 

Im Sommer soll es hier von englischen und deutschen Touristen nur so wimmeln, jetzt sind wir ganz allein mit zahllosen Ruinen. Etwa so ähnlich muss sich ein Dauerlauf durch einen archäologischen Vergnügungspark anfühlen. Immer wieder gibt es dorische und ionische Säulen zu betrachten, Torbogen zu passieren, Steinsarkophage zu bestaunen. Die Türken haben einen bewundernswert pragmatischen Umgang mit dem Vergangenen: Altgriechische Tempel werden schon mal mit Gewächshäusern umstellt, und grasende Schafe in einem imposanten antiken Theater sind kein seltener Anblick. Schliesslich muss der Rasen ja gemäht sein. Das nennt sich dann «türkische Denkmalpflege».

Auch das Geisterdorf Kayaköy gleicht einem riesigen Freilichtmuseum. Einmal lebten Hunderte von griechischen Familien an diesem felsigen Berghang in der Nähe der Küstenstadt Fethiye. Doch dann beschlossen die griechische und die türkische Regierung 1922, einen Bevölkerungsaustausch zu machen. Griechen auf türkischem Gebiet wurden nach Griechenland umgesiedelt und umgekehrt. Die Menschen aus Kayaköy zogen nach Kreta und Athen. Für sie kamen griechische Türken, doch als Bauern bevorzugten sie die fruchtbarere Ebene. Darum leben heute in Kayaköy nur noch ein paar Ziegen. Durch die Häuserruinen kann man herrliche Entdeckungstouren unternehmen, findet noch intakte Zisternen, grasüberwachsene Treppen und verrusste Kamine. Ein Dach haben einzig die beiden Kirchen im Dorf, bei den anderen Häusern sind die Dächer abgetragen worden. Wahrscheinlich, weil die pragmatischen Türken das Holz als Baumaterial gebraucht haben.
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 17. Februar 2012)

Wednesday, February 8, 2012

Zu Besuch bei Serafettin und Sangül

Sangül und Serafettin sind Türken. Sangül und Serafettin sind aber auch Aussteiger. Etwas, was wir in der türkischen Provinz nicht erwartet hätten. Das Ehepaar lebt im kleinen Weiler Alinca, abgeschieden von der Stadt, hoch über dem Meer, so hoch, dass das Wasser sich etwa 600 Höhenmeter weiter unten befindet. In Istanbul war Serafettin Computeringenieur, Sangül hat bei einer Versicherung gearbeitet - und sie hielten das Grossstadtleben nicht mehr aus. Beide waren in der Millionenstadt aufgewachsen, doch sie hatten diesen Traum. Ein Haus mit eigenen Händen bauen, die Nahrungsmittel, so gut es geht, selbst herstellen und verarbeiten, besser und einfacher leben. Vor knapp einem Jahr haben sie ihre Pension Alamut am lykischen Weg eröffnet. Vorher bauten sie drei Jahre an ihrem Traumhaus, das nun richtig heimelig und einladend wirkt.
Warum das berichtenswert ist? Weil sich die Träume doch überall irgendwie ähneln.