Tatort: Kosovo, irgendwo auf verstaubten Naturstrassen unterwegs in die Berge.
Erwartungsvoll stiegen wir im kleinen
kosovarischen Bergdorf aus dem Bus. Ein paar Männer sassen in der
einzigen Bar des Orts herum, und private Taxifahrer boten ihre Dienste
an. Wir wollten zu Fuss weitergehen bis zuhinterst im Tal – doch wir
hatten nicht mit Adnan gerechnet.
«Taxi, Taxi», deklamierte er. Wir winkten ab, kein
Bedarf. «Ihr könnt nicht laufen, das ist viel zu weit», meinte er. Wir
lachten und sagten, wir wollten sowieso erst Kaffee trinken und dann
weiterschauen. «Gut», meinte er – und setzte sich ungefragt gleich zu
uns an den Tisch.
Der Kaffee kam, und kurz danach folgten zwei
türkische KFOR-Soldaten, die uns die Hand schüttelten und uns persönlich
in ihrem Sektor willkommen hiessen. Auch Adnan streckte seine Hand hin
und textete die Türken unbekümmert auf Deutsch zu. Das habe er in
Bazenheid im Kanton St. Gallen gelernt, dort habe er gearbeitet, und
seine Schwester lebe immer noch in Vevey. Jetzt schaltete sich der junge
Typ am Nebentisch ins Gespräch ein. Er sei während des Kriegs in der
Schweiz gewesen, seine Familie sei dort geblieben, der Onkel lebe in
Langnau im Emmental. Ob wir das kennen würden? Wir nickten.
Vor der Wanderetappe in Südkosovo war ich kritisch
gewesen: Wie sollte ich mich mit den Leuten unterhalten, wo mir doch
Albanisch total fremd ist? Die Frage hatte sich dann von selbst
beantwortet: auf Deutsch, besser noch auf Schweizerdeutsch. Vor allem im
Sommer, wenn die Shacis zurückkehren. Shaci ist die Bezeichnung für
Kosovaren, die in deutschsprachigen Ländern leben. Böse Zungen
behaupten, die Wortschöpfung sei entstanden, weil sie sich gegenseitig
«Schatzi» rufen würden. Shacis fallen auf mit grossen, glänzenden Wagen,
trotz der staubigen und trockenen Wege, die durch Kosovo führen. Das
liegt vermutlich daran, dass Autowaschanlagen hier häufiger vorkommen
als Strassenkreuzungen.
Wir unterhielten uns noch immer mit unserer
neuen Bekanntschaft über Langnau, als wir plötzlich bemerkten, dass
Adnan, der Taxifahrer, fehlte. Ebenso unsere beiden Rucksäcke. Sie lagen
im Taxi, der Motor lief schon. Wir ergaben uns unserem Schicksal und
stiegen in den orangefarbenen Minibus. Adnan, der Reiseführer, fuhr uns
durch die «beste Natur Kosovos», die wir durch die staubige Scheibe
bewundern durften.
Zum Wandern kamen wir schliesslich auch noch. Und
so entdeckten wir in den Bergen eine weitere schweizerisch-kosovarische
Gemeinsamkeit: blühende Edelweiss, die ich bisher nur aus Prospekten
fürs Oberland gekannt hatte.
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 03.09.2011)
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