Thursday, March 29, 2012

Kolumne 9: Bräteln beim ewigen Feuer

Tatort: Çirali, ein Ort an der türkischen Mittelmeerküste.

Mitten im Wald steht ganz unerwartet ein improvisiertes Teehaus. An einemwackeligen Pult klebt ein ausgeblichener Zettel: 3.75 türkische Lira, knapp 2 Franken. So viel soll zahlen, wer den alten Pflasterweg hoch will, um Yanartas, den brennenden Stein, zu sehen.

Der rundliche Ticketverkäufer, der rund um die Uhr da ist und zugleich das Teehaus bedient, lächelt breit und fragt, obwir eine Lampe dabei haben.Wir nicken undmachen uns auf denWeg. 250 Höhenmetermüssen wir auf dem holprigen Pfad überwinden, bis wir plötzlich einen vertrauten Geruch wahrnehmen. Wir schnuppern. Ganz eindeutig: Es riecht nach Fondue Chinoise. Und jetzt sehen wir auch die Flammen, aus einiger Distanz wirken sie wie Lagerfeuer, die unweit voneinander lodern. Das Feuer brennt aber immer, Tag und Nacht. Denn genau hier strömen Gase aus demfelsigen Abhang, die sich beim Kontakt mit der Luft entzünden.

Die Flammen haben im Laufe der Zeit Einbuchtungen in den Felsen gefressen, so dass sichmit einiger Fingerfertigkeit Grillstellen und sogar Backöfen basteln lassen. Darum sind wir auch nicht unvorbereitet gekommen: In eine Hohlstelle legen wir ganze Kartoffeln, einen flachen Stein nutzen wir als Grill für unsere selbstgebasteltenWurstspiesse. Der Ort ist schon seit der Antike bekannt. Ob sie wohl damals auch auf
solche Ideen wie wir gekommen sind? Oder wirkten diese Flammen, die ohne äussere Einwirkung immer weiterbrennen, eher einschüchternd auf unsere Vorfahren?

Überliefert ist, dass die Flammenfelder damals grösser gewesen sein müssen und bis zum Meer leuchteten,wo sie Seefahrern Orientierung gaben. Und natürlich spielen diese Flammen auch in der griechischen Mythologie eine Rolle: Hier soll Chimaira, ein feuerspeiendes Mischwesen mit drei Köpfen, gelebt haben. Es wurde vom mutigen Bellerophon und seinem geflügelten Pferd Pegasus bekämpft und erfolgreich unter einem Bleiklumpen vergraben. Ganz töten konnte er es allerdings nicht, und so spuckt das Ungeheur bis heute ununterbrochen Feuer unter dem Felsen hervor.

Mittlerweile ist es dunkel geworden. Die Flammen der Chimaira wirken jetzt noch eindrücklicher. Die Kartoffeln sind gar und ganz und gar nicht schwarz gebrannt – ein perfekter Backofen. Und doch scheint dasMonster noch nicht ganz gezähmt, beim Grillieren trägt der Expeditionspartner ein paar krausgebrannte
Haupthaare davon. Aber was nimmt man für ein gutes Essen unter strahlendem Sternenhimmel nicht alles
in Kauf?
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 24. März 2012

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