Tatort: Auf Forststrassen im hügeligen Inland von Zypern.
Es ist manchmal nicht ganz einfach, Wanderrouten zusammenzustellen. Zwar
gibt es in den meisten Ländern Weitwanderwege, zu vielen existiert jedoch wenig
bis gar keine Information. Im Internet lässt sich aber zum Glück häufig eine
Art Vorbild finden – jemand, der diesen Weg schon gegangen ist und davon
berichtet hat. Dieser Vorgänger mausert sich im Verlauf der besagten Tour nicht
selten zu einer Referenzperson, von der wir sprechen, als ob wir sie persönlich
kennen würden.
So auch für den Weg quer durch Südzypern, der erst vor kurzem eröffnet
wurde und selten begangen wird. Eine österreichische Tierärztin war ein Jahr
vor uns hier und hat der Route auf ihrem Blog das Prädikat «Missgeburt»
verliehen.
Wenigstens sind wir vorgewarnt worden, dachten wir uns, als wir die ersten
Kilometer auf einer Asphaltstrasse nach Wegsignalisierungen Ausschau hielten.
Die Mandelbäume blühten, und auch die Blumen standen in voller Blüte, der Mohn,
Alpenveilchen und Lilien. Die Sonne schien, es war frühsommerlich warm. Und
nach einiger Suche fanden wir auch den markierten Weg, den wir von da an für
zwei Wochen fast nie mehr verloren. Die Tierärztin, die über die schlechte
Signalisierung geklagt hatte, verlor bereits ein paar von ihren
Vorschusslorbeeren.
Das Inland von Zypern ist im Gegensatz zur Küste sehr untouristisch,
oftmals führen Forststrassen stundenlang durch menschenleeres Gebiet. Es gibt
Echsen und Geckos, die ihre Köpfe eigenartig schubweise bewegen und sich
ansonsten starr an der Sonne aufwärmen. Es gibt das Mufflon, das zypriotische
Wappentier, das ähnlich wie ein Reh aussieht, aber rund gewölbte Hörner hat und
sich tatsächlich ab und zu blicken lässt. Und es gibt immer wieder
Picknickplätze, perfekt geeignet für uns, um zu übernachten. Denn es hat dort
Wasser, es hat Bänke und Tische, und wir können unser Zelt aufstellen, ohne zu
fürchten, dass wir jemanden stören. Es ist ja gar niemand da.
Die Tierärztin hat verschiedene Picknickplätze erwähnt – und auch
geschildert, wo es Wasser gibt. In solchen Momenten loben wir sie wieder in den
höchsten Tönen. Denn die Wasserversorgung ist beim Weitwandern essenziell. Ohne
Wasser kann abends nicht gekocht werden, die Zähne lassen sich nicht putzen,
und morgens gibt es keinen Kaffee.
Nur – irgendwie hat unser Vorbild eine schlechtere Tour gehabt als wir.
Vielleicht, weil sie im Februar unterwegs war und ständig Regen hatte? Oder
vielleicht auch, weil sie sich mehrmals verirrte, während wir zum Glück nie
wirklich falsch gingen. Und so konnten wir bei allem guten Willen auch die
Schadenfreude nicht ganz unterdrücken, als wir selbstsicher eine rostige
Kinderrutsche passierten, an der die arme Tierärztin bei Dauerregen angeblich
gleich mehrmals vorbeigekommen war.
(Erscchienen in der Berner Zeitung vom 25. April 2012)
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